Bakterielle Fehlbesiedelung
Wird der Dünndarm massiv bakteriell überwuchert bzw. von eigentlich harmlosen Dickdarmbakterien besiedelt (bakterielle Fehlbesiedelung), führt dies zu einer gravierenden Störung der Homöostase im bakteriellen Ökosystem (Dysbiose) mit ernsthaften Verdauungsstörungen.
Das klinische Erscheinungsbild hängt entscheidend von der zugrunde liegenden Erkrankung ab. Zu den typischen Symptomen einer bakteriellen Überwucherung des Dünndarms gehören übermäßige Gasbildung mit Blähungen (Meteorismus), Flatulenz, abdominelles Spannungsgefühl, Diarrhoe und Bauchschmerzen.
Eine unerkannte bzw. unbehandelte bakterielle Fehlbesiedelung des Dünndarms hat in der Regel ein chronisches Malassimilationssyndrom mit Gewichtsverlust zur Folge. Entsprechende Symptome bis hin zum Vollbild der Osteomalazie, Gerinnungsstörungen und Nachtblindheit können sich aus dem konsekutiven Mangel an den Vitaminen D, K, A und B12 ergeben.
Einfache Funktionstests wie der H2-Atemtest mit einem definierten Testtrunk von 50- 100 g Glukose sind unkompliziert durchzuführen, weisen jedoch eine geringere Spezifität auf. Der Test beruht auf der Messung der Konzentration von Wasserstoff (H2) in der Ausatemluft vor und nach einem Testtrunk. Wasserstoff entsteht bei jedem Menschen nur durch bakterielle Zersetzung von Zuckern und anderen Kohlenhydraten. Sofern keine Fehlbesiedlung des Dünndarms vorliegt, findet eine solche bakterielle Fermentation fast ausschließlich im Dickdarm statt. Der dabei entstandene Wasserstoff wird in Form von Flatus rektal ausgeschieden, aber auch in das Blut aufgenommen und über die Lunge abgeatmet. Der Wasserstoffanteil an der Ausatemluft kann mit speziellen Analysatoren (üblicherweise einem Gaschromatographen) gemessen werden. Der über die Lunge abgeatmete Gasanteil steigt bei einer bakteriellen Fehlbesiedelung des Dünndarms über einen kritischen Grenzwert hinaus (meist 20 ppm) messbar an.
Die konservative Therapie stützt sich in erster Linie auf den Einsatz von Antibiotika . Kontrollierte Studien zu dieser Thematik existieren leider so gut wie nicht. Die antibiotische Behandlung ist in den meisten Fällen zunächst sehr effektiv. Das Therapieansprechen zeigt sich in einem Rückgang von Diarrhoe und abdominellen Beschwerden sowie einer verbesserten Resorption von Fett und Vitamin B12 binnen einer Woche nach Therapie-beginn. Die meisten Patienten bleiben nach einer Antibiotikaeinnahme von Rifaximin über 7–14 Tage für einige Monate beschwerdefrei.
Rifaximin mit seiner Pyridoimidazolstruktur sowie Neomycin oder Paromomycin als nicht resorbierbare Aminoglykoside werden praktisch nicht aus dem Darm absorbiert.
Ein anderer Therapieansatz ist die Verordnung von Probiotika, ggf. auch in Kombination mit Antibiotika . Systematische Studien dazu liegen leider nicht vor. Die Datenlage spricht am ehesten für die Anwendung von Präparaten, die verschiedene Laktobazillenstämme enthalten. Klinische Beobachtungsstudien zeigen, dass Antibiotika in der Initialbehandlung effektiver sind als Probiotika. Eine weitere Möglichkeit ist, Patienten zunächst mit einem kurzen Antibiotikatherapiezyklus und dann längerfristig mit Probiotika zu behandeln.